Die Wald- und Tannen­tracht

Der Wald ist in Mittel­europa eine wichtige Tracht­quelle. Die Ernte der dunklen, wür­zigen Honig­tau­honige von Fichte und Tanne ist für viele Imker besonders interes­sant, weil sich diese Honige gut und teuer ver­kaufen lassen. Für Wald- und Tannen­honig gibt es nur wenig auslän­dische Konkur­renz, die Nach­rage ist in der Regel größer als das Angebot. Somit macht die Möglich­keit, Wald­honig zu ernten, die einhei­mische Imkerei attraktiv und gewähr­leistet, dass die Bienen­haltung flächen­deckend betrieben wird.

Eine ausreichend hohe Bienen­dichte ist wiederum Voraus­setzung dafür, dass die ein­hei­mische Imkerei ihrer ökolo­gischen Bedeu­tung gerecht werden kann, auf die von Vertre­tern der Imker­schaft und der Wissen­schaft immer wieder und zurecht hinge­wiesen wird. Dieses Ziel ist am leich­testen zu erreichen, wenn die einhei­mische Imkerei öko­nomisch auf eigenen Füßen steht.

Die überwiegende Mehr­zahl der Imker ist von sich aus bemüht, die Bienen­haltung wirt­schaft­lich zu betreiben. Dazu gehört heut­zu­tage nicht nur

  • die Verwendung einer einfachen und zweck­mäßigen Beute,
  • die artgemäße Völker­führung,
  • die sachgerechte, vor allem Rück­stände vermeidende Varroa­be­handlung und
  • die ständige Suche nach der besseren Biene,
  • sondern auch die Trachtbeo­bachtung
Die Trachtbeo­bach­tung hat zum Ziel, die lohnens­werten Trachten zu erkennen und optimal zu nutzen, was sich bei der Wald­tracht nicht so leicht ver­wirk­lichen lässt wie bei der Blüten­tracht; denn Vor­kommen, Inten­sität und Dauer einer Honig­tau­tracht sind schwerer zu beur­teilen als die einer Nektar­tracht aus der Blüte von Obst, Löwen­zahn, Raps, Edel­kas­tanie, Sonnen­blume oder Heide.

Damit es zu einer Wald­tracht kommt, reicht es nicht aus, dass Wald vor­handen ist. Zwei gute Wald­honig­jahre können direkt auf­ein­an­der ­folgen, es können aber auch zwei bis zehn Jahre ver­gehen, bis auf eine gute Wald­honig­­ernte die nächste folgt. Dabei ist ein Abstand von vielen Jahren eher der Fall als einer von einem oder zwei Jahren. Und wenn der Wald honigt, ist es meistens so, dass er nicht überall honigt oder nicht überall gleich gut honigt. Bei der Beobach­tung der Wald­tracht geht es vor allem darum, diese Unter­schiede recht­zeitig zu erkennen, damit man seine Völker zur richtigen Zeit am richtigen Platz stehen hat. Doch das ist nicht so einfach.

Die wichtigste, wenn auch nicht die einzige Voraus­setzung für das Ein­setzen einer Wald­tracht ist der Massen­befall der Honig­tau­er­zeuger. Wer das Ein­setzen oder Aus­bleiben einer Wald­tracht recht­zeitig erkennen will, muss bei ihrer Beobach­tung den Schwer­punkt auf die Beobach­tung der bienen­wirt­schaft­lich wichtigen Honig­tau­er­zeuger und ihrer Ent­wick­­lung legen.
Eine erfolgreiche Tracht­beo­bach­tung setzt voraus, dass der Imker die Honig­tau­er­­zeuger
  • kennt,
  • erkennt
  • und vor allem in der Lage ist, ihre Besatz­dichte zu beur­teilen.

Autor: Dr. Gerhard Liebig 2003