Der Weg zur Waldtracht­prognose

Historie

Am 1. September 1976 begann an der Landes­an­stalt für Bienen­kunde in Stutt­gart-Hohen­heim ein For­schungs­vor­haben über die Wald­tracht mit dem Ziel, nach Wegen für eine kurz­fris­tige oder auch lang­fris­tige Prog­nose der Honig­tau­tracht zu suchen. Von Anfang an lag sein Schwer­punkt auf der Popula­tions­dy­namik der bienen­wirt­schaft­lich wichtigen Honig­tauer­zeuger auf Tanne und Fichte. Von 1977-1998 wurden auf 6 Ver­suchs­flächen im Nörd­lichen Schwarz­wald und von 1987-1998 auf 8 Versuchs­flächen im Südlichen Schwarz­wald konti­nuier­lich Popula­tions­daten gesammelt, was insge­samt mit der gewal­tigen Fahr­leistung von fast zwei Erd­um­rundungen ver­bunden war. Zusätz­lich dienten der „Mini-Schwarz­wald“, eine kleine Anpflan­zung von Tannen und Fichten unmit­telbar vor dem Gebäude der Landes­anstalt in Hohenheim, und die vielen einzeln stehenden, tief beasteten Nadel­bäume im Bota­nischen Garten der Uni­versität der inten­siven ganz­jährigen Beo­bachtung von Honig­tauer­zeugern, bei der vor allem Frage­stel­lungen über ihre Leben­sweise behandelt wurden, ohne deren genaue Kenntnis eine auf die Prog­nose aus­gerich­tete Beo­bachtung nicht möglich ist:

  • Wann schlüpfen die Stamm­mutter­larven aus den Winter­eiern?
  • Wie rasch ent­wickeln sich die Gener­ationen?
  • Wie fruchtbar sind sie oder können sie sein?
  • Wann treten die Geflü­gelten auf?
  • Wann setzt ihr Aus­brei­tungs­flug ein? Wo siedeln Primär­kolo­nien?
  • Wo Sekundär­kolo­nien?
  • Wie lange halten sie sich?
  • Auf unterschied­lich alten Bäumen?
  • Auf unterschiedlich expo­nierten Zwei­gen?
  • Wie vertragen die Honig­tau­er­zeuger Nieder­schläge und Hagel?
  • Hitze und Trocken­heit?
  • Wann wird wie viel Honig­tau aus­ge­schieden?
  • Welche Zucker, Amino­säuren und Mineral­stoffe finden sich im Honig­tau?
  • Wie ist seine Zusammen­setzung in guten Lach­niden­jahren? In schlech­ten?
  • Wie verändert sich seine Zusammen­set­zung von der Ent­stehung eines Massen­be­falls bis zum Zus­ammen­bruch der Laus­popula­tionen?
  • Welche Räuber und Para­siten treten auf?

Bei der Bearbeitung etlicher Frage­stel­lungen wurden auch ein­ge­topfte Tannen und Fichten ein­ge­setzt, die bei unter­schied­licher Düngung oder Bewäs­serung ent­weder im Frei­land, im Glas­haus oder im Labor auf­ge­stellt waren.

Insgesamt erwies sich der deut­lich wärmere Stand­ort in Hohen­heim als wert­voller Indi­kator für die vor­aus­schau­ende Beur­tei­lung der Lach­niden­ent­wick­lung an den fern gele­genen kälteren Stand­orten im Schwarz­wald, was eine effek­tive Planung der Beo­bach­tungs­ter­mine möglich machte und auch heute noch bei der Vor­berei­tung der Tracht­prog­nosen genutzt wird.

Nach 1998 wurde die kon­tinu­ier­liche Beo­bach­tung der Honig­tau­er­zeuger auf den Ver­suchs­flächen ein­ge­stellt. Seitdem wird „nur noch“ an der Umset­zung der gewon­nenen Erkennt­nisse gear­beitet, die bereits 1987 mit dem Aufbau eines Beo­bach­ter­netzes ein­ge­leitet wurde. Mit seiner Hilfe soll eine bessere Nutzung der Wald- und Tannen­tracht in Baden-Württem­berg ver­wirk­licht werden. Leider gelang es nicht, eine gemein­same Beteili­gung der beiden Landes­ver­bände zu erreichen. Zur Zeit wirken etwa hundert Imker an der Beo­bachtung und Prog­nose der Wald­tracht mit. Sie sind in 11 Gruppen organi­siert, von denen eine in Ober­schwaben, vier im Schwäbi­schen Wald und sechs im Schwarz­wald tätig sind. Außerdem bestehen enge Kon­takte zu zwei Beo­bachter­gruppen in Ober­bayern und in der Ober­pfalz.

Zweijahres­rhythmus​

Das Erstellen einer Prog­nose ist nur möglich, wenn die Bedin­gungen, die zu einem Massen­befall der Honig­tau­er­zeuger führen oder sein Aus­bleiben verur­sachen, bekannt sind. Ein Phänomen der Wald­tracht ist ein häufig wieder­keh­render Zwei­jahres­rhyth­mus. Einem guten (Wald­honig-)Jahr folgt meist immer ein schlech­teres (Fehl­jahr) und einem schlech­ten (Fehl-)Jahr häufig ein besseres (Waldhonigjahr). Kloft u.a. (1985) favori­sieren eine Erklä­rung, die der für die Alter­nanz im Obstbau ent­spricht. Sie hat den ständigen Wechsel von Erschöp­fung der Ressourcen und ihrer Erholung zum Inhalt, was sich in einer entspre­chenden Verän­derung und Abfolge der Ernäh­rungs- und Vermeh­rungs­be­din­gungen der Honig­tauer­zeuger nieder­schla­gen soll.

Doch wird bei dieser Hypo­these ver­nach­läs­sigt, dass die bienen­wirt­schaft­lich wich­tigsten Wald­bäume Fichte und Tanne immer­grüne Nadel­bäume sind und des­halb ganz­jährig assimi­lieren (können). In sehr viel höherem Maße als Laub­bäume können sie den Assi­milat­bedarf des Aus­triebes durch die lau­fende Assimi­la­tion (der älteren Nadeln) decken und sind nicht oder nur bedingt auf die Anhäu­fung bzw. Mobi­li­sie­rung von Reser­ven ange­wiesen. Das Längen­wachs­tum der Nadel­bäume eines Stand­ortes unter­schei­det sich kaum von Jahr zu Jahr, auf jeden Fall sehr viel weniger als die Ver­meh­rungs­rate der Lach­niden, sodass zwi­schen ihr und der Stärke des Aus­triebes über­haupt kein Zusam­men­hang besteht. Das Auf­treten oder Aus­bleiben eines Massen­be­falls der Honig­tau­er­zeuger steht auch in keiner Bezie­hung zur Fruk­tifi­kation (Zapfen­bildung) der Wirts­bäume.

Wespen fressen keine Läuse

Eine zweite Erklä­rung bedient sich des „Beute­tier-Räuber-Modells“. Danach zieht eine Massen­ver­meh­rung des Beute­tiers die Mas­sen­ver­meh­rung seiner Räuber nach sich, was zu einer gewal­tigen Dezi­ie­rung der Beute­tiere führt. Durch ihr Wirken ent­ziehen sich die Räuber ihre eigene Nah­rungs­grund­lage, sodass nach der fast voll­ständi­gen Aus­rot­tung des Beute­tiers auch die Räu­ber­po­pu­la­tion ver­schwin­det. Dadurch wird eine erneute Massen­ver­meh­rung des Beute­tiers mög­lich.

Dieses Modell wurde von Pfefferle (1984) ver­wen­det, als er den Ein­fluss der Wespen auf die Tannen­tracht er­klärte. Wald- und Tannen­honig­jahre sind meist auch Wespen­jahre. Von dem reich­lichen Honig­tau­an­ge­bot profi­tiert die gesamte Insek­ten­welt. Für die räu­beri­schen Wespen ist der Tisch dann dop­pelt gedeckt. Sie können ihren Kohlen­hy­drat­be­darf durch das Sammeln von Honig­tau decken und gleich­zei­tig fällt auch genü­gend Eiweiß in Form von Insek­ten­fleisch an. Ins­be­son­dere die Fliegen, die unter den Beute­tieren der Wespen weit­aus an erster Stelle stehen, ver­mehren sich während einer Wald­tracht sehr stark. In der Folge können sich die Wespen­völker gut ent­wickeln, sodass nach einer Honig­tau­­tracht immer mit einer „Wespen­plage“ im Spät­sommer zu rechnen ist.

Da die Wespen keine Vor­rats­hal­tung kennen, sind sie stän­dig auf der Suche nach Nah­rung. Sie suchen in den Tannen auch dann noch, wenn die Bienen mangels (Honig­tau-)Masse ihre Sammel­flüge schon längst ein­ge­stellt haben. Jedes kleine Honig­tau­tröpf­chen wird von den Wespen gezielt an­ge­flogen. Wo sie einmal fündig werden, tauchen sie lange Zeit immer wieder auf.

Wer nicht so genau hins­chaut und ledig­lich ober­fläch­lich regi­striert, dass am Ende einer Tannen­tracht die Rinden­läuse ver­sch­winden und der Wespen­flug in den Tannen zunimmt, kann leicht zu der Auf­fas­sung gelan­gen, dass der Zusam­men­bruch der Lach­ni­den­po­pu­lation durch die räube­ri­schen Wespen herbei­ge­führt wird und, darauf auf­bau­end, auch eine Erklä­rung für die Alter­nanz der Honig­tau­tracht finden, doch nur, wenn er sie auf die Tannen­tracht be­schränkt. Sie lässt sich auf keinen Fall auf die Fichten­tracht aus­weiten, die der Alter­nanz genauso unter­liegt. Denn der Zusam­men­bruch der Lach­niden­po­pu­la­tionen auf der Fichte voll­zieht sich in der Regel weit vor dem Massen­auf­treten der Wespen. Manch­mal ist das auch, wie 2003, bei den Tannen­lach­ni­den der Fall. Ander­er­seits kann es, wie zum Bei­spiel 1981, gerade bei der Grünen Tannen­honig­laus im August/­September noch zu einer Spät­ver­meh­rung kommen, auch dann wenn die Wespen in den Tannen bereits die „Luft­ho­heit“ haben.

Wer genau hin­schaut erkennt zudem: Wespen fres­sen keine Rinden­läuse! Mit dieser Aus­sage wurde schon nach wenigen Jahren Beo­bach­tung eine in der Imker­schaft tief ver­wur­zelte Vor­stel­lung ins Reich der Fabeln ver­wiesen.

Nicht wetterempfindlich

Auch die echten Lach­niden­feinde wie Schlupf­wespen, Raub­wanzen, Raub­käfer und Raub­fliegen können für die Alter­nanz der Wald- und Tannen­tracht nicht ver­ant­wort­lich gemacht werden. Zwar zieht ein Massen­be­fall von Honig­tau­er­zeu­gern immer eine Massen­ver­meh­rung ihrer Feinde nach sich, doch wird der Zusam­men­bruch der Lach­niden­po­pu­la­tionen nicht durch ihr Auf­treten verur­sacht, sondern ledig­lich von ihnen beglei­tet. Das ist beson­ders leicht in der Fichten­tracht zu beo­bach­ten, an der bis zu fünf Lach­niden­arten betei­ligt sein können. Jede Art bildet Kolo­nien, die von Räubern und Para­siten leichter auf­zu­spüren sind als die stets, auch bei Massen­befall ein­zeln sitzende Grüne Tannen­honig­laus. Wenn eine Lach­niden­ko­lonie von Feinden zer­stört wird, hinter­lassen diese meis­tens Spuren: Mumien, leer gesaugte oder aufvge­dun­sene Kada­ver, die ein­deu­tig erkennen lassen: Hier waren Räuber oder Para­siten am Werk! Gegen Ende einer Honig­tau­tracht ver­sch­winden aber viele Kolo­nien, ohne dass solche Über­reste zurück blei­ben. Die Läuse verlassen ein­fach ihren Sied­lung­sort. Das geschieht spek­ta­ku­lär „unspek­taku­lär“. Kurze Zeit vorher werden die Kolo­nien bzw. die noch sau­gen­den Tiere von einer großen Unruhe erfasst. Dann ziehen sie, ob Alt oder Jung, ihre Rüssel, rollen sie unterm Bauch ein und wandern Rich­tung Stamm ab. Auf den Ästen und am Stamm eines einziges Baumes kann man in der Phase des Zusammen­bruchs Hun­der­ten oder sogar Tausen­den von Läusen auf Wander­schaft begeg­nen. Ihre ehe­mali­­gen Saug­orte sind von Honig­tau­tröpf­chen und Häuten auf kleb­rigen Nadeln mar­kiert, die erst vom nächs­ten Regen abge­wa­schen werden. Bis dahin bleibt der Tisch für die Bienen (und Wespen) gedeckt. Wer erst nach den Läusen schaut, wenn oder weil eine Tracht nach einem Regen­fall nicht wieder ein­setzt, kann leicht zu dem Schluss kommen, dass der Regen, insbe­sonders wenn er heftig oder mit Hagel oder Gewitter ver­bunden war, die Läuse abge­spült hat. Doch auch diese von vielen Imkern gern gezogene Schluss­folger­ung ist falsch. Der Zusam­men­bruch der Lach­niden­po­pu­la­tionen ist weder auf die direkte Wir­kung von Regen oder Kälte noch auf die von Hitze und Trocken­heit zurück­zu­führen. Das gilt auch für das Aus­bleiben (oder Zustan­de­kommen) einer Massen­ver­meh­rung.

Daten und Fakten

Ein dritte These zur Erklär­ung der Alter­nanz lässt sich aus der umfas­senden Ana­lyse der im For­schungs­vor­haben gesam­melten Popu­lations­daten ablei­ten. Nach ihr kommt der stän­dige Wechsel von guten und schlech­ten Wald­honig­jahren, wenn diese am durch­schnitt­lichen Honig­er­trag im „Ländle“ gemessen wer­den, zufäl­lig zu­stande.

Es liegt zwar unzwei­fel­haft ein Zwei­jahres­rhyth­mus der Wald­tracht vor, wie zum Bei­spiel im Zeit­raum 1968-1976 vor dem Beginn des For­schungs­vor­habens, in dem der Wald in den gera­den Jahren gehonigt hatte und in den unge­raden Jahren nicht, oder auch im Zeit­raum 1987-2003, in dem die Wald­tracht eher in den unge­raden Jahren auf­ge­treten ist als in den geraden Jahren, doch ver­liert dieser Rhyth­mus deut­lich an Schärfe und Gewicht, wenn man nicht nur die Jahres­mittel des Waldhonig­er­trages betrach­tet, sondern sich stärker mit ihrer Varia­tions­breite und den Unter­schie­den zwi­schen den Regi­onen aus­ein­an­der­setzt.

Die Fülle der gesam­mel­ten Daten, die in früheren Unter­such­ungen gefehlt hat, macht es mög­lich. Ein Bei­spiel ist das Jahr 1997, das in der Sta­tis­tik als Wald­honig­jahr geführt wird, in dem es aber aus­schließ­lich im Schwäbi­schen Wald Honig­tau­honig gegeben hat. Im Schwar­zwald gingen die Imker leer aus. Sie ernteten drei Jahre in Folge 1996, 1997 und 1998 keinen Wald­honig. Manche Schwarz­wald­imker muss­ten nach dem Rekord­jahr 1995 sogar 6 Jahre, bis 2001, auf Wald- und Tannen­honig warten!

Ein weiteres Beispiel lie­fert das Wald­honig­jahr 2003, dem mit 2002 ein abso­lutes Fehl­jahr vor­aus­ging. Nicht in allen Wald­ge­bieten wurde 2003 Honig­tau­honig geern­tet. Die 64 von den Laus­beo­bach­tern auf­ge­stell­ten Stock­waagen zeigten Gewichts­zu­nah­men zwischen 0 und 98 kg. Im Nörd­lichen Schwarz­wald (und auch anderswo, aber nicht überall) war die Wald­tracht 2003 bereits Anfang Juni (vor dem Massen­auf­treten der Wespen) zu Ende. Zwei Jahre zuvor, 2001, hatte sie dort erst im Juni begonnen und bis Ende August gedauert.

Wer 2003 wie gewöhn­lich erst nach Nut­zung der Raps­tracht auf der Schwä­bi­schen Alb in den Nörd­lichen Schwarz­wald ge­wan­dert war, ging voll­kommen leer aus. Er hätte pro Volk zwei Zargen Wald­honig ernten können, wenn er auf die Raps­tracht ver­zich­tet und bereits Ende Mai auf­ge­wan­dert wäre.

Solche Erfahrungen ver­deut­lichen wie wich­tig die fort­lau­fende Beo­bach­tung des Tracht­ge­sche­hens und die sofor­tige Weiter­gabe bzw. das Ein­holen von Infor­mati­onen darüber sind. Einige Imker, die sich 2003 am Varroa­tele­fon der Landes­an­stalt bereits im Mai und danach regel­mäßig einen Über­blick über den Ver­lauf der Honig­tau­tracht ver­schafft und ent­spre­chend recht­zeitig rea­giert haben, werden dies bestä­tigen können. Es gab aber auch Imker, die den Hinweis auf den frühen Beginn der Wald­tracht und ihr rasches Ende beson­ders in den tieferen Lagen nicht ernst genommen haben, viel­leicht aus Bequem­lich­keit, um die mit der Suche nach einem neuen Wander­platz verbun­denen Umstände zu ver­meiden, lieber zu dem gewohn­ten Platz auf­ge­bro­chen sind, als dort die Tracht schon längst zu Ende war.

Auf die Vermehrung kommt es an

Der Zusammen­bruch der Lach­niden­po­pu­la­tionen findet in der Regel jedes Jahr statt. Er voll­zieht sich um so hef­tiger, je stärker die Laus­po­pu­lation vorher ange­wach­sen ist. Das klingt banal. Doch gab es im Beo­bach­tungs­zeit­raum auch Aus­nahmen. Der ersten begeg­nete der Autor 1981. Die Grüne Tannenvhonig­laus hatte sich von Mai bis Juli an allen sechs Stand­orten vermehrt, doch nur an einem die „Tracht­grenze“ von 100 Tieren je m² Zweig­fläche deut­lich über­schrit­ten.

An diesem Standort honigte die Tanne auch sehr gut, an den anderen fünf dagegen über­haupt nicht, was auch mit deren Laus­befall über­ein­stimmte. Ihre Läuse­zahlen lagen im Sommer nur zwi­schen 5 und 50 Tieren je m² Zweig­fläche. Im August wurde nach den in den vier Vor­jahren gemach­ten Erfah­rungen der Zusam­men­bruch erwartet. Doch dieser fand nur an dem Stand­ort mit dem nied­rig­sten Sommer­wert statt, wo der Laus­besatz im Spät­sommer von 5 auf 0 Tiere je m² Zweig­fläche absank.

An den anderen Stand­orten kam es zu einer vorher nie beo­bach­teten Spät­ver­meh­rung. An dem seit Ende Juni honi­genden Standort ver­dop­pelte sich der Laus­besatz von Mitte August bis Anfang September auf 250 Tiere je m² Zweig­fläche. Nach dem Abklop­fen der Tannen­zweige waren die Fang­tücher nicht nur mit Tannen­honig­läusen übersät, sondern auch mit Marien­käfern und deren Larven, außer­dem mit Larven von Flor- und Schweb­flie­gen, deren Mütter zusammen mit Wespen und Honig­bienen für ein wochen­langes Gesumme in den Tannen­wipfeln sorgten.

Der September 1981 war warm und trocken, sodass die Tannen­tracht an diesem Standort fast drei Monate lang, von Ende Juni bis Mitte September, genutzt werden konnte. Die besseren Völker brachten mehr als 50 kg schwarzen Tannen­honig.

Diese Spätvermehrung trat in den 80er Jahren mehr­mals auf. Wahr­schein­lich stand sie in einem Zusam­men­hang mit dem Gesund­heits­zu­stand der Tannen; denn am häu­figs­ten wurde sie in den stark erkrank­ten Tannen­be­stän­den beo­bach­tet, in denen auch oft die Ver­meh­rungs­phase der Grünen Tannen­honig­laus sehr früh im Juni, noch während des Aus­triebes, zu Ende ging. Mit der Gesun­dung der Tanne­nbe­stände in den 90er Jahren ver­schwan­den beide Phäno­mene. Viel­leicht werden wir in den kommenden Jahren wieder öfters mit ihnen kon­fron­tiert, denn es ist zu befürch­ten, dass sich der Zustand des Waldes und ins­beson­ders der öko­lo­gisch empfind­lichen Weiß­tannen bedingt durch die extreme Trocken­heit des Jahres 2003 nach­haltig ver­schlech­tert hat. Dieser Aspekt ist bereits bei der Beo­bach­tung und Prog­nose der Honig­tau­tracht 2004 zu berück­sich­tigen.

In der Regel vermehren sich die Rinden­läuse nur während des Aus­triebs im Mai und Juni. Wie bereits geschil­dert gibt es Aus­nahmen. Sie treten bei der Tanne häufig auf, sehr selten dage­gen bei der Fichte. Auf die Fichte ist mehr Ver­lass als auf die Tanne. Deshalb fällt die Beo­bach­tung und Prog­nose der Fichten­tracht insge­samt leichter als die der Tannen­tracht. Sie wird ledig­lich dadurch erschwert, dass auf der Fichte sieben Honig­tau­er­zeuger (fünf Lach­niden­arten und zwei Lecanien) leben, die eine Tracht ver­ur­sachen können. Auf der Tanne sind es nur zwei: die schon wieder­holt genannte Grüne Tannen­honig­laus Cinara pectinatae und die Große Schwarze Tannen­rinden­laus Cinara confinis.

Diese Stammlaus war 1995 das erste Mal seit Beginn der Mes­sungen an der Tannen­tracht betei­ligt. In den 18 Jahren vorher wurde in den Jahren bzw. an den Stand­orten mit Tannen­tracht nie ein Massen­be­fall dieser Laus fest­ge­stellt, wenn über­haupt, dann nur ein­zelne Exem­plare von ihr gefunden. Für Cinara confinis trifft der Zwei­jahres­rhyth­mus auf jeden Fall nicht zu! Wenn das For­schungs­vor­haben vor 1995 (nach einer Laufdauer von immer­hin 17 Jahren) beendet worden wäre, dann würde Cinara confinis in der Auf­lis­tung der bienen­wirt­schaft­lich wich­tigen Honig­tau­er­zeuger fehlen.

Beobachtung mit System

Die Fichten­lach­ni­den­arten haben viele Gemein­sam­keiten. Ihre Stamm­mütter gründen, sobald sie erwach­sen sind, Pri­mär­ko­lo­nien, in denen sich ihre Töchter (F1) oder auch erst ihre Enkel (F2) über­wie­gend zu Geflü­gel­ten ent­wickeln. Diese machen einen Aus­brei­tungs­flug, der eine wichtige Phase für die Beo­bach­tung und Prog­nose der Fichten­tracht dar­stellt. Unmit­tel­bar nach diesem Ausvbrei­tungs­flug kann die Tracht ein­setzen. Sie tut es, wenn der Aus­brei­tungs­flug mit einer Massen­ver­meh­rung ein­her­geht, die dann in der Regel schon vorher, in den Primär­ko­lo­nien, begonnen hat. Eine gute Ent­wick­lung der Pri­mär­ko­lo­nien gibt demnach den ersten Hinweis auf eine bevor­ste­hende Massen­ver­meh­rung, der Aus­brei­tungs­flug den zwei­ten. Er führt zur Grün­dung der Sekun­där­ko­lo­nien.

Wenn es genügend von ihnen gibt und außer­dem schönes Wetter herrscht setzt unmittel­bar nach bzw. wäh­rend des Aus­brei­tungs­fluges (er dauert bei jeder Art je nach Witte­rung 1-2 Wochen) die Tracht ein, deren Beginn und wei­terer Verlauf mit dem Waag­stock beo­bachtet werden kann. Damit sind die für eine Beo­bach­tung und Prog­nose der Fichten­tracht verbun­denen Auf­gaben genannt, die ein Laus­beo­bachter beherr­schen und durch­führen sollte:

  • Beobachtung und Beur­tei­lung der Primär­ko­lo­nien,
  • Beobachtung und Beur­tei­lung des Ausbrei­tungs­fluges,
  • Einsatz der Stock­waage.

Doch wird ihre Durch­füh­rung dadurch erschwert, dass es auch Unter­schiede zwischen den Fichten­lach­niden­arten gibt. Sie treten nicht gleich­zei­tig auf. Ihre Saug­orte sind ver­schieden. Wer an einer Fichte nach allen sieben Honig­tau­er­zeugern Ausschau halten will, muss bei der Suche fünf­mal anset­zen. Das ist an­streng­end und ver­langt Geduld und Zeit. Tracht­beo­bach­tung aus dem fah­renden Auto ist nicht möglich. Der Waag­stock übri­gens erkennt nicht, von welcher Laus die Tracht verur­sacht wird. Seine Bedie­nung ist ein­facher als die Beo­bach­tung der Honig­tau­er­zeu­ger.

Für die Kolonien ver­schie­dener Arten, wenn sie am selben Baum siedeln, gilt eine ähn­liche Regel: je tiefer im Baum, desto länger können sich die Tiere auf ihm halten. Zuerst ver­schwin­den die in den Mai­trieben sau­gen­den Kolonien von Cinara pilicornis und zum Schluss die am Stamm oder in Stamm­nähe sit­zen­den Kolonien der Großen Schwarzen Fichten­rinden­laus Cinara piceae. Zwi­schen dem Anfang vom Ende und seinem Schluss können 1-4 Wochen liegen. Hoch­sommer­liche Wärme leitet den Zusammen­bruch früher ein und ver­kürzt seinen Ablauf. Wenn es gleich­zeitig anhal­tend trocken ist, bleibt das Ver­schwin­den der Läuse viele Tage lang unbe­merkt und wird erst nach dem ersten Regen an der Stock­waage regi­striert.

Wenn sich alle Honig­tau­er­zeuger an einer Fich­ten­tracht betei­ligen, kann diese über 6 Wochen andauern. Wenn nur eine Art in Massen auf­tritt, dann ist die Tracht auf 2-3 Wochen begrenzt. Wenn es in dieser kurzen Zeit ständig regnet wie zum Beispiel 1980, zeigt der Waag­stock trotz Massen­be­falls keine Zunahmen und die Honig­eimer bleiben leer. Gerade solche Jahre zeigen, dass es nicht möglich ist, allein durch Analyse der Honig­er­träge aus der Wald­tracht den Ein­fluss der Witte­rung auf die Ent­stehung eines Massen­be­falls der Honig­tau­er­zeuger oder sein Aus­blei­ben zu beur­teilen.

Auf Gedeih und Verderb

Diese Vergleiche wurden in der Ver­gan­gen­heit mehr­fach ange­stellt und haben nie zu ein­deu­tigen Ergeb­nissen geführt. Deshalb wurden bei ihrer Inter­pre­ta­tion immer gängige Vor­stel­lungen über den Ein­fluss der Witter­ung auf die Ent­wick­lung von Insekten her­an­ge­zogen, wie sie in vielen Lehr­büchern beschrie­ben sind. Danach sind Insekten empfind­lich gegen­über Kälte und Regen und gedei­hen nur gut, wenn es warm und trocken ist.

Diese allgemeine Beur­tei­lung gilt für die Honig­tau­er­zeuger nur begrenzt bzw. über­haupt nicht, wenn man den zwei­fel­los vor­han­denen direk­ten Ein­fluss der Witterung auf die Läuse mit ihrem indi­rekten Ein­fluss ver­gleicht, der den Weg über den Wirts­baum auf die Läuse nimmt, und dabei bedenkt, dass die Honig­tau­er­zeuger Spezia­listen sind, denen als einzige Nah­rungs­quelle der Sieb­röhren­saft ihres Wirts­baumes zur Ver­fü­gung steht. Sie sind auf Gedeih und Verderb auf diesen ange­wiesen. Entweder sie gedeihen oder sie ver­der­ben.

Jede Ver­ände­rung in der Zusam­men­set­zung der Nahrung spiegelt sich im Wachs­tum und in der Vermeh­rung der Honig­tau­er­zeuger wider, wenn auch mit zeit­licher Ver­zöge­rung. Ein hoher Nähr­wert des Sieb­röhren­saftes hat gutes Wach­stum und rasche Vermeh­rung der Pflan­zen­sauger zur Folge. Das ist in der Regel nur in der Zeit des Aus­triebs der Fall. Nach Beendi­gung des Aus­triebs sinkt der Nähr­wert des Sieb­röh­ren­saftes auf Null oder nahe Null mit der Folge, dass sich die Pflan­zen­sauger nicht mehr ver­mehren und auch nicht mehr halten können. Die Laus­popula­tionen brechen zu­sammen.

Dieser Ablauf ist jedes Jahr zu beo­bach­ten. Die auf der Fichte leben­den Lach­niden halten sich sehr streng an diesen Ablauf, für sie ist er fast Gesetz; nicht dagegen für die beiden Tannen­lach­niden. Ihr Massen­wechsel kennt als Aus­nahmen die Spät­ver­meh­rung im Spät­sommer und den frühen Zusam­men­bruch bereits während des Aus­triebs. Beide sind auf ent­spre­chende Ver­ände­rungen in der Zusammen­setzung des Sieb­röhren­saftes zurück­zu­führen, zu denen es kommen kann, wenn die empfind­lichen Weiß­tannen in „Stress“ geraten.

Die Prognose­formel

Für die von Jahr zu Jahr auf­tre­tenden Unter­schiede in der Ver­meh­rung während des Aus­triebs bzw. in der Höhe des sommer­lichen Popu­la­tions­maxi­mums können nur zwei Fak­toren verant­wort­lich sein: der Aus­gangs­besatz der Stamm­mütter und die Witte­rung bzw. der Witte­rungs­komplex. Aus den multi­plen Korrela­tions- und Regres­sions­analy­sen, die beim Ver­gleich der Popu­lations­daten mit den Monats­werten der Witter­ung durch­ge­führt wurden, lässt sich eine Prog­nose­formel ablei­ten, die das erste Mal 1987 formu­liert wurde und seit­dem jedes Jahr auf dem Prüf­stand steht.

Danach ist mit einer guten Ver­meh­rung der Lach­niden wäh­rend des Aus­triebes zu rechnen, wenn der Spät­herbst des Vor­jahres (November) warm war und das Frühjahr sich durch die phäno­lo­gi­sche Abfolge „kalter März – warmer April – kalter Mai und kalter Juni“ aus­zeich­net. Mit Hilfe von Unter­such­ungen über den Nähr­stoff­haus­halt von Fichten und Tannen, welche die Popu­lations­mes­sungen auf den Ver­suchs­flächen und in Hohen­heim viele Jahre lang beglei­tet haben, konnte auch eine ein­leuch­tende Erklä­rung für diesen Zusam­men­hang gefunden werden: Bei dieser Witte­rungs­konstel­lation ist die Dis­posi­tion des Wirts­baumes für Lach­niden­befall erhöht, wahr­schein­lich durch eine Anhäu­fung von Reser­ven im Herbst und ihre ver­stärkte Mobi­li­sierung während des Aus­triebes, wenn dieser bei Kälte­ein­brüchen im Mai und Juni ins Stocken gerät.

Bei dieser Deutung muss auch der Stan­dort beachtet werden. So ist die Höhen­lage beson­ders dann von Bedeu­tung, wenn der Witte­rungs­ver­lauf im Früh­jahr von der opti­malen Kon­stella­tion abweicht. Das Aus­lei­ben der Eis­hei­­ligen im Mai geht besonders in den tieferen Lagen mit einer Ver­schlech­terung der Ver­meh­rungs­bedin­gungen von Fichten- und Tannen­lach­ni­den einher, wenn der Aus­trieb der Wirts­bäume nach frühem Beginn zügig von­statten geht. Eine Schafs­kälte im Juni wirkt sich dann nur noch in den Hoch­lagen positiv aus, weil sie den dort später begin­nenden Aus­trieb noch zum Stocken bringen kann. Unter­schiede zwischen Regi­onen und Stand­orten im Verlauf und Güte einer Wald­tracht können auch durch unter­schied­lichen Aus­gangs­befall vor der Ver­meh­rungs­phase zustande kommen. Wenn keine Stamm­mütter da sind, nützen auch die besten Ver­meh­rungs­be­din­gungen nichts. Deshalb bleibt die direkte Beo­bach­tung der Honig­tau­er­zeuger und ihrer Entwick­lung für das Erstellen von Tracht­prog­nosen unum­gäng­lich.

Sonderfälle

Im Zeitraum der Popu­la­tions­mes­sungen 1977-1998 trat die opti­male Witte­rungs­kon­stella­tion (warmer Spät­herbst plus „lau­siges“ Früh­jahr nach warmem April) ver­bunden mit einem Massen­be­fall auf den Ver­suchs­flächen vier­mal auf. Das Gegen­teil, in dem keiner der oben genannten Fak­toren zutraf und dem­zu­folge über­haupt keine Ver­meh­rung statt­fand, wurde doppelt so häufig beo­bachtet. In den anderen Jahren führten ins­beson­ders die Unter­schiede zwi­schen den Stand­orten zu keinem eind­eu­tigen Ergeb­nis. Deshalb kann die Prog­no­se­formel nur als Orien­tie­rung dienen, was sich bei der seit 1987 nahezu flächen­decken­den Beo­bach­tung der Wald­tracht in Baden-Württem­berg, die ohne die Mit­hilfe der Laus­beo­bachter nicht mög­lich wäre, Jahr für Jahr bestä­tigt.

Von den fünf Witte­rungs­fak­toren, die laut Progno­se­formel zu beachten sind, hat die November­temper­atur beson­deres Gewicht. Im Spät­herbst werden die Weichen für das kommende Jahr gestellt. Wenn der November sehr kalt war, ist mit sehr hoher Wahr­schein­lich­keit mit einem abso­luten Fehl­jahr zu rechnen, von dem keine Region in Baden-Württem­berg ver­schont bleibt. Dann ist es auch leicht, auf dem Hohen­heimer Tag ein Fehljahr vorher­zu­sagen wie geschehen am 13. März 1994, nach­dem 1993 der kälteste November seit 1977 auf­ge­treten war. In Hohen­heim betrug seine Monats­tempe­ratur ledig­lich 0,7° C.

Besonders viel Freude machte es dem Autor genau ein Jahr später, am 12. März 1995 an glei­cher Stelle, sehr gute Aus­sichten für eine Wald­tracht 1995 zu ver­künden. Der November 1994 war in Hohen­heim mit 8,2° C der wärmste November im Beo­bach­tungs­zeit­raum seit 1977. Da auch die Witte­rung im Früh­jahr „nach Lehr­buch“ verlief, ging 1995 als Rekord­jahr in die Imkerei-Geschichte ein. Selbst wenn im Früh­jahr 1995 die „lausige Witte­rung“ gefehlt hätte, wäre die Wald­tracht 1995 nicht aus­ge­blieben. Wahr­schein­lich hätte der Wald dann nur weniger ergie­big und nicht so lang anhal­tend gehonigt.

Die überragende Bedeu­tung der November­tempe­ratur kann aus der Analyse der Beo­bach­tungs­daten rechner­isch abge­leitet werden. Nach wissen­schaft­li­chen Maß­stäben muss das Ergebnis einer solchen Berech­nung im Experi­ment über­prüft werden oder wieder­holt auf­treten, bevor es als richtig ange­sehen werden kann. Da es unmög­lich ist, die Witterung in den Wald­tracht­ge­bieten experi­mentell zu gestal­ten, bleibt nichts anderes übrig als abzu­warten bis der passende (Wieder­ho­lungs-)Fall auf­tritt. In 2002/2003 war es soweit.

Der November 2002 stand in der Tempe­ratur dem von 1994 nur wenig nach, er war mit 7,3° C der zweit­wärmste November im Beo­bach­tungs­zeit­raum. [Der dritt­wärmste November (6,8° C) wurde im Jahr 2000 vor dem eben­falls sehr ertrag­rei­chen Wald­honig­jahr 2001 regi­striert, das aber nicht in allen Regionen gleich gut ausfiel.] Auch der Witte­rungs­ver­lauf in den Monaten März, April und Mai 2003 ist phäno­logisch als günstig zu beur­teilen, auch wenn ihre Tempera­tur­werte wie die der fol­genden Monate Juni, Juli und August deut­lich über dem lang­jähri­gen Mittel lagen. Bereits Ende April hatten sich auf der Fichte große Primär­kolo­nien von Cinara pilicornis und Cinara piceae gebildet. In den nie­deren Lagen fand der Aus­brei­tungs­flug ihrer Geflü­gelten schon im Mai statt. Er setzte während der „Eis­heiligen“ ein, die pünkt­lich um die Monats­mitte auf­traten. Ihnen folgte unmit­tel­bar eine aus­ge­zeich­nete Fich­ten­tracht, die somit in 2003 sehr früh begann und demzu­folge (wen wundert’s?) auch früh zu Ende ging.

Die Stammütter der Tannen­lach­niden Cinara pecti­natae und Cinara confinis hatten sich ihrer Natur ent­spre­chend etwas lang­samer aber auch früher als sonst ent­wickelt. Sie und ihre Töchter ver­mehrten sich sehr gut, obwohl das Früh­jahr bis auf den sibi­risch-fros­tigen Kälte­ein­bruch im April und die Eis­hei­ligen im Mai nicht beson­ders „lausig“ ausfiel. Gemessen an den Monats­werten war das Früh­jahr 2003 (wie der Sommer) der wärmste im Beo­bach­tungs­zeit­raum und er war auch der mit Abstand trockenste! Hier liegt des Pudels Kern, der ent­schei­dende Erkennt­nis­gewinn des Jahres 2003, mit dem auch das Rekord­jahr 1976 erklärt werden kann, das sich eben­falls durch ein extrem warmes und trockenes Früh­jahr aus­zeich­nete und die aus den Popu­lations­daten 1977-1987 errech­nete Prog­nose­formel bei der rück­wärts gewandten Über­prü­fung mit einem dicken Frage­zeichen versehen hatte: Eine für eine Massen­ver­meh­rung günstige Dis­posi­tion der Wirts­bäume kann auch durch extreme Trocken­heit verur­sacht werden, die wie Kälte den Aus­trieb zum Stocken bringt und so die Vermeh­rungs­bedin­gungen der Honig­tau­er­zeuger verbes­sert. Nach 16 Jahren kann das Frage­zei­chen durch ein Aus­rufe­zei­chen ersetzt werden.

Was wird 2004?

Das kommende Jahr 2004 bietet eine neue Vari­ante. Der November 2003 war fast genauso mild wie sein Vor­gänger. Demnach ist zu erwar­ten, dass unmittel­bar auf das gute Wald­honig­jahr 2003 ein weiteres mit ähn­lich hohen Erträgen folgt. Das wäre ein Novum in der Geschichte der Hohen­heimer Tracht­beo­bach­tung. Einen sprich­wört­lichen Strich durch die Rech­nung kann aller­dings der Zustand des Waldes machen, der nach wie vor unter einem gewal­tigen Wasser­de­fizit leidet. Im Anbe­tracht dieser Stress­situa­tion, die bereits im Früh­herbst durch eine über­durch­schnitt­lich hohe „Nadel­schütte“ zum Aus­druck kam, ist zu bezwei­feln, dass die Nadel­bäume im milden November in der Lage waren, Reserven zu bilden und anzu­häufen. Doch muss diese Ein­schät­zung nicht auf alle Stand­orte glei­cher­maßen zutreffen. Spätes­tens im Sommer 2004 werden wir es genauer wissen.

Ich danke den Lausbeobachtern Baden-Württembergs für ihre Mitarbeit.

Autor: Dr. Gerhard Liebig (2003)